Suchtbericht der Bundesregierung zur E-Zigarette – Mortler für Harm Reduction
Am 21. August 2017 machte die Bundesregierung eine Kehrtwende in Sachen E-Zigarette. Nachdem bereits Frau Mons vom Deutschen Krebsforschungszentrum einige Wochen zuvor starken Rauchern ausdrücklich den Wechsel zur E-Zigarette empfohlen hat, zieht nun auch die Bundesregierung, in Form eines Suchtberichts zur E-Zigarette und der 180 Grad Kehrtwende der Drogenbeauftragten Frau Mortler (CSU), nach.
„Zumindest für stark abhängige Raucher ist es daher ratsam auf Dampfgeräte umzusteigen, um Gesundheitsschäden zu reduzieren.“
Dr. Ute Mons, Süddeutsche Zeitung, 31.07.17
Die E-Zigarette schneidet im aktuellen Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung, speziell im Vergleich zur herkömmlichen Tabakzigarette, sehr viel positiver ab als bisher. Zwar wird hier und da immer noch versucht, der E-Zigarette, mit einigen Querschüssen, etwas Popularität zu rauben, aber man kann es durchaus als einen Wendepunkt bezeichnen. Und das scheint kein nationales Phänomen zu sein. Denn immerhin hat sich auch die Position der E-Zigaretten Vertreter stark gewandelt: wo es vor einigen Jahren noch hieß, dass entsprechende wissenschaftliche Untersuchungen zu gesundheitlichen Auswirkungen und Langzeitschäden noch ausstehen, heißt es nun, dass über 200 Studien zur Verfügung stehen, welche der E-Zigarette ein deutlich geringeres Gesundheitsrisiko als der Tabakzigarette zusprechen und sie auch als tolle Alternative und als Hilfsmittel zum Rauchstopp beschreiben. Kurz gesagt: das Blatt hat sich gewendet – nicht nur in Deutschland und Europa.
Die FDA ist die Food and Drug Administration in den USA. Sie ist die regulierende Behörde für Lebensmittel, Medikamente, aber auch Tabak. Deshalb war sie auch für die strengen Regulierungen der E-Zigarette und der Liquids verantwortlich, die sog. „Deeming Rule“. Von Herstellern wurden in dieser Deeming Rule die Lizensierungen ihrer Dampfprodukte verlangt, was eine sehr, sehr(!) kostenaufwendige Datenerhebung miteinschloß. Nach seriösen Schätzungen wären 99% der meist mittel- und kleinständigen Unternehmen im Bereich der E-Zigarette daran gescheitert. Im August 2018 wäre es soweit gewesen, was faktisch das Ende der Präsenz von E-Zigaretten in den USA bedeutet hätte. Ja, „bedeutet hätte“, denn nicht nur in Deutschland ändert sich derzeit die Position zu E-Zigaretten und Dampfern rapide. Lassen Sie uns, bevor wir zum Suchtbericht aus dem Hause Mortler kommen, kurz einen (Rück)blick über den großen Teich werfen.
Harm Reduction statt Law and Order Politik
Es war der Moment als Scott Gottlieb zum neuen Chef der FDA ernannt wurde, was noch gar nicht lange her ist. Schon während der Anhörungen von Kritikern, Befürwortern und Produzenten von E-Zigaretten und Liquids war er durch sehr liberale und offene Statements und Positionen aufgefallen. Am vergangenen Freitag trat Gottlieb dann, im Rahmen seiner Ernennung, mit einer halbstündigen Rede vor die Presse, in der er die neue Marschrichtung der FDA darlegte. Und was dort zu hören war, das war tatsächlich ein völliger Richtungswechsel der bisherigen Politik. Bisher hat die FDA eine Law an Order Politik der Abstinenz vertreten. Innovationen sollten reguliert und damit praktisch unterbunden werden. Der Mediziner Gottlieb verfolgt jedoch den Kurs der so genannten Harm Reduction. Wenn man die Menschen nicht abhalten kann zu rauchen, dann muss man alles dafür tun, dass die Schäden durch das Rauchen minimiert werden.
„Ich sagte denen, ich will das dramatisch ändern. Ich will das Steuer herumreißen.“
Scott Gotlieb, Washington Post, 13.06.2017
Anschließend hat er den geplanten Richtungswechsel grob in einigen Stichpunkten umrissen:
- Jugendschutz stärken
- Reduzierung der Menge des Nikotins in Zigaretten
- Regulierung des Marketings für E-Zigaretten
Jetzt mag man meinen, dass diese Punkte einem Richtungswechsel doch klar widersprechen. Nein. Es ist anzunehmen, dass diese Aussagen die sehr starke Gesundheitslobby in den USA besänftigen sollten. Denn der Rest seiner Aussagen klingt wie ein wahr gewordener Traum der E-Zigaretten-Branche und Dampferszene.
So sagte er außerdem …:
- … dass Nikotin nicht für die gesundheitsschädliche Wirkung von Tabak verantwortlich sei
- … dass die E-Zigarette sehr viel weniger Gesundheitsrisiken berge als die Tabakzigarette
- … dass er das Center for Tobacco ins Leben gerufen hat, eine neue FDA Abteilung, die diese Fragen klären soll
- …dass er die Frist für die „Deeming Rule“ vorerst auf 2022 verschoben hat (statt 2018)
Zum einen ist die Verschiebung der Deeming Rule nicht nur als Galgenfrist zu sehen. Gottlieb sagte klar, dass er der E-Zigarette vielmehr Zeit verschaffen will, damit sich der Markt, die Forschung und auch die Anzahl der Arbeitsplätze in der Branche rapide verändern kann. Denn das wird sie.
Auch die Medien zogen mit
Doch beeindruckend ist nicht nur die Position von Gottlieb, sondern auch, dass die Medien sie dieses mal mittragen. Denn er ist bei weitem nicht der Erste, der die E-Zigarette als Alternative zur Tabakzigarette sieht, die man fördern statt stoppen sollte. Das belegen bereits zahlreiche Studien zur E-Zigarette. Aber es ist so ziemlich das erste mal, dass alle großen Medienanstalten und Zeitungen des Landes, so zum Beispiel CNN, die Washington Post und die Los Angeles Times, diese Positionen mittragen.
„FDA Comissioner Scott Gotlieb sagte beide Maßnahmen sind Teil eines umfassenden Plans Raucher von konventionellen Zigaretten abzubringen und zur weniger schädlichen alternativen Formen von Nicotin, wie dem Dampfen, zu lenken.“
The Washington Post, 28.07.17
Und wir alle wissen, dass Statements und Perspektivwechsel in den Leitmedien immer dazu führen, dass auch andere Stimmen diese aufgreifen und vermehrt wiedergeben werden, so wie es bisher mit den medialen Querschüssen gegen die elektrische Zigarette geschah.
Der ehemalige Professor für öffentliche Gesundheit der University of Michigan, Kenneth Warner, sagte der Los Angeles Times „Wenn du das Nikotin, nach dem Menschen verlangen, vom Rauch trennen kannst, der die Menschen tötet, tust du wohlmöglich etwas sehr wichtiges.“ Warner ist eine führende Autorität im Bereich Rauchen und Gesundheit.
Josh Sharfstein nannte Gottliebs Erklärung einen „aufregenden Moment“. Der Professor der John Hopkins Bloomberg School für Öffentliche Gesundheit war unter Obama selber stellvertretender Comissioner der FDA. „Das Gesamtbild bei der Sache ist, dass Zigaretten wie wir sie kennen ausgebremst werden können und E-Zigaretten eine Brücke für die Menschen sein kann, nicht zu rauchen.“ sagte er in einer Stellungnahme der Washington Post.
Reaktion der Finanzmärkte
Auch interessant war die Reaktion der Wall Street, bezüglich des neuen Kurses von Gottliebs FDA. Die Aktienkurse der führenden Tabakkonzerne Philipp Morris und British American Tobacco brachen drastisch ein und konnten sich bisher auch nicht wieder erholen. Philip Morris International verlor nach der Rede noch am Freitag annähernd 10%. Was bei einem Umsatz von 80 Mrd. sicher einen Verlust im zweistelligen Milliarden Bereich bedeuten dürfte. Auch die anderen Tabakkonzerne stürzten an allen internationalen Börsen in den Keller. Interessant zu sehen ist, dass vor allem diejenigen Konzerne sich am schnellsten erholten, die selber bereits im Bereich der E-Zigarette tätig sind.
Aktienkurs Philipp Morris
Aktienkurs British American Tobacco
Zurück nach Europa und zum Suchtbericht der Bundesregierung
Auch bei uns passiert derweil beeindruckendes. Eine der bekanntesten und lautesten Gegnerinnen der E-Zigarette war in Deutschland sicher Frau Dr. Pötschke-Langer, Leiterin der Krebsprävention und Kollaborationsstelle der World Health Organisation, am Deutschen Krebsforschungsinstitut in Heidelberg. Auch sie sagte zwar einmalig, dass die E-Zigarette weitaus weniger schädlich als die E-Zigarette sei, wiederholte diesen Satz aber nie wieder. Stattdessen erneuerte sie seitdem täglich ihre Forderung noch Nikotinersatzprodukten wie Pflastern und Kaugummis.
Die Süddeutsche Zeitung war es schließlich, deren Recherchen ans Tageslicht brachten, dass der Wissenschaftliche Aktionskreis Tabakentwöhnung e. V., bei dem die Frau Doktor Pötschke-Langer nach ihrer Ablösung beim DKFZ führendes Mitglied wurde, von einer PR-Agentur im Auftrag von Novartis Consumer Health gegründet wurde. Novartis gehört weltweit zu den drei größten Herstellern von Nicotinersatzprodukten.
Doch auch hierzulande gab es mittlerweile einen Personalwechsel und im Anschluss an Gottliebs Rede in den USA äußerte sich Frau Dr. Pötschke-Langers Nachfolgerin, Frau Dr. Mons, mit dem Zitat, welches wir bereits am Anfang dieses Artikels erläutert haben: „Zumindest für stark abhängige Raucher ist es daher ratsam auf Dampfgeräte umzusteigen, um Gesundheitsschäden zu reduzieren.“. Mit dieser klaren, wenn auch eingeschränkten Empfehlung der E-Zigarette für starke Raucher, nimmt sie eine Position ein, die der Position der WHO diametral entgegen läuft.
Auszüge des Suchtberichts der Bundesregierung zur E-Zigarette
Im neuen Bericht der von Frau Mortler geführten Institution sind tatsächlich moderate bis lobende Töne zur E-Zigarette zu lesen.
- „E-Zigaretten sind im Vergleich zu Tabak-Zigaretten deutlich weniger schädlich“.
Zugegeben: im nächsten Atemzug wird das schon relativiert. „… aber sie sind auch keine harmlosen Lifestyleprodukte“, wird nachgekartet (Seite 30). Für unsere Branche ist das definitiv zu verschmerzen, ja sogar ein sehr positives Signal. Denn seitens der Hersteller und Händler wurde und wird auch niemals behauptet werden, dass Dampfen „gesund“ sei, oder Teil unseres Lifestyles sein sollte. Ganz im Gegenteil: die Branche hat sich stets für Untersuchungen und Forschungen engagiert, die klar machten, dass der sog. Gateway-Effekt ein Mythos ist und Jugendliche eben gerade kein großes Interesse haben zu Dampfen, wenn sie vorher auch noch nie geraucht haben oder im Moment Raucher waren. Sind sie aber Raucher, oder interessiert an Zigaretten, dann ist die E-Zigarette die bessere Alternative.
Luft, die vorher dem Dampf einer E-Zigarette „ausgesetzt“ war, weist rund 5000 Schadstoffe weniger auf als durch Tabak-Qualm belastete Luft. Nicht vergessen: das Gesundheitsrisiko von Tabakzigaretten liegt nicht beim Nikotin, sondern beim Verbrennungsvorgang und den enthaltenen Zusatzstoffen. Das haben wohl auch viele Raucher längst erkannt.
Weitere Fakten aus dem Suchtbericht (Seite 29):
- Raucher, die die E-Zigaretten längst als weniger schädliche Alternative zu Tabak verwenden (rund 39 Prozent)
- Raucher, die die E-Zigarette verwenden, um weniger zu rauchen (23 Prozent)
- Raucher, die die E-Zigarette nutzen, um ganz mit dem Rauchen aufzuhören (rund 15 Prozent) “
Das Bündnis für Tabakfreien Genuss e.V. merkt abschließend an: „Leider fasst Mortler aber nicht alle Informationen aus Ihrem Hause zusammen. So ergab im letzten Jahr eine vom Bundesgesundheitsministerium geförderte Studie des „Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg“ (ZIS), dass über 90 Prozent der Dampfer Ex-Raucher sind (Quelle). Zahlen, die man gerne in einem umfassenden „Suchtbericht“ der Bundesregierung wiedergefunden hätte.“
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